Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Tauschbörsenverfahren nach Abmahnung vor dem Amtsgericht Leipzig – Anschlussinhaber haftet, wenn kein Dritter als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt

17:31 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Nachdem sämtliche Versuche einer außergerichtlichen und gütlichen Beilegung des Rechtsstreits gescheitert waren, hatte die Rechteinhaberin Klage wegen der unlizenzierten Verbreitung eines Filmwerks erhoben.

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Bericht

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Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2018/01/AG_Leipzig_117_C_1073_17.pdf

Autor:
Rechtsanwalt Thorsten Nagl, LL.M.

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Die Beklagte hatte in dem Verfahren bestritten, für die vorgeworfene Rechtsverletzung verantwortlich gewesen zu sein. Zur Zeit der Rechtsverletzung habe sie sich auf der Arbeit befunden. Die in ihrem Haushalt lebenden Familienmitglieder – ihr Ehemann sowie die minderjährige Tochter – seien ebenfalls nicht zu Hause gewesen. Die Rechtsverletzung sei daher voraussichtlich fehlerhaft ermittelt worden. Im Übrigen bestritt die Beklagte auch die Rechteinhaberschaft der Klägerin.

Das Amtsgericht Leipzig stellte zunächst zutreffend fest, dass aufgrund der eindeutigen Rechtevermerke zugunsten der Klägerin auf öffentlichen Vervielfältigungsstücken vom Bestehen der Rechteinhaberschaft auszugehen sei. Weiter hatte das Gericht aufgrund der detaillierten und schlüssigen Ausführungen der Klägerin zu den Ermittlungen der Rechtsverletzung auch keine Zweifel daran, „dass (…) der Internetanschluss der Beklagten zutreffend ermittelt und eine konkrete Zuordnung der technischen Daten zum Anschluss der Beklagten erfolgt ist.

Vor diesem Hintergrund spreche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung für die Verantwortlichkeit der Beklagten. „Diese Vermutung wurde von der Beklagten nicht erschüttert, nach ihren Darlegungen war zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine sonstige Person in ihrer Wohnung oder hat eine Rechtsverletzung begangen.“ Damit hafte die Beklagtenseite für die zugrunde liegende Rechtsverletzung. Gegen die geltend gemachte Höhe des Schadensersatzes hatte das Gericht ebenfalls keine Bedenken. Das Amtsgericht Leipzig verurteilte die Anschlussinhaberin daher vollumfänglich zur Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz sowie zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten.

 

 

AG Leipzig, Urteil vom 25.08.2017, Az. 117 C 1073/17

 

(…) – Ausfertigung –

 

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

 

Aktenzeichen: 117 C 1073/17

Verkündet am: 25.08.2017
[Name],
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

 

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 04567 Kitzscher,
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name], 04552 Borna,

wegen Urheberrecht

 

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richterin am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2017 am 25.08.2017

für Recht erkannt:

1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.09.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite 506,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.09.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagtenseite trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Verwertung geschützter Bildaufnahmen über sogenannte Tauschbörsen (P2P- bzw. Filesharing-Netzwerke) sowie Kostenersatz wegen der durch die erfolgte Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend.

Die Klägerin wertet zahlreiche nationale und internationale Bild- / Tonaufnahmen in Deutschland exklusiv aus. Sie werden regelmäßig in Kino, auf DVD/Blu-Ray über kostenpflichtige Download- und Streamingportale im Internet ausgewertet. Die Klägerin hat der Beklagten keinerlei Verwertungsrechte eingeräumt. Die ipoque GmbH ist von der Klägerin ständig beauftragt, die illegale Verbreitung ihrer urheberrechtlich geschützten Bild- / Tonaufnahmen in Tauschbörsen zu ermitteln und sie zur Durchsetzung entsprechender Ansprüche erforderliche Daten zu sichern, die hierfür das Peer-to-Peer Forensic Systems (PFS) verwendet. Dabei wurde festgestellt, dass am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr, der Film [Name] über die IP-Adresse [IP] angeboten wurde. Über die IP-Adresse wurde aufgrund des Gestattungsbeschlusses vom zuständigen Internetprovider als Anschlussinhaberin die Beklagte unter der Adresse [Adresse] mitgeteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] wurde die Beklagte zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aufgefordert. Die Beklagte hat sich durch Abgabe einer Unterlassungserklärung rechtsverbindlich verpflichtet, künftige Rechtsverletzungen zu unterlassen.

Die Klägerin behauptet,
dass sie über die ausschließliche Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte verfüge und sie damit ausschließlich zur Vervielfältigung und öffentlicher Zugänglichmachung berechtigt sei. Eine Lizenz für einen aktuellen Spielfilm würde regelmäßig nicht weniger als 50 % von 11,76 EUR (13,99 EUR abzgl. MwSt. = 11,76 EUR), also 5,88 EUR betragen. Dieser Wert könne je nach Laufzeit, Bekanntheit und Aktualität des Werkes sowie der entsprechenden Bildqualität auch bei bis zu 70 % von 14,28 EUR (16,99 EUR abzgl. MwSt. = 14,28 EUR), also 9,99 EUR liegen.

Der Schaden sei nach der Berechnungsmethode „Lizenzanalogie“ zu schätzen und betrage mindestens den beantragten Pauschalbetrag. Bei der Berechnung der Rechtsverfolgungskosten sei ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR in jedem Fall angemessen. Die Begrenzung des § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG n.F. sei nicht anwendbar.

Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerin einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.09.2015 sowie
2. 506,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet,
die Rechtsinhaberschaft der Klägerin.

Sie behauptet,
dass sie selbst die vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen habe und hierfür auch nicht verantwortlich sei.

Sie bestreitet,
dass über ihren Internetanschluss der streitgegenständliche Film zum illegalen Download angeboten worden sei und dass am [Datum] über Digital Forensics GmbH eine Ermittlung stattgefunden habe. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt habe sich die Beklagte auf Arbeit befunden. Auch die zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Haushalt der Beklagten lebenden Personen, ihr Ehemann und die am [Jahreszahl] geborene Tochter, seien nicht anwesend, sondern im Kino gewesen. Im Übrigen machen sie geltend, dass die Forderungen verjährt seien.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht Leipzig ist gemäß den §§ 12, 13 ZPO, §§ 104, 104a, 105 UrhG i.V.m. § 15 Abs. 1 der Verordnung des Sächs. Staatsministeriums der Justiz und für Europa über die Organisation der Justiz / Sächs. Justizorganisationsverordnung vom 29.11.2014 örtlich zuständig.

Der Klägerin steht gemäß §§ 97 Abs. 2, 97a, 19a UrhG ein Schadensersatzanspruch in der ausgesprochenen Höhe für die ungenehmigte und öffentliche Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke zu.

Die Klägerin ist Inhaber der ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte, da sie im Hersteller- bzw. Urhebervermerk auf dem Cover der DVD aufgeführt ist.

Unstreitig ist die Beklagte Anschlussinhaber des Internet-Anschlusses mit der IP-Adresse [IP].

Nach der Überzeugung des Gerichtes wurde am [Datum, Uhrzeiten], der streitgegenständliche Film zum Download angeboten. Die Klägerin hat die ipoque GmbH beauftragt, mit Hilfe des Peer-to-Peer Forensic Systems (PFS) Rechtsverletzungen zu ermitteln. Diese haben die streitgegenständliche Rechtsverletzung festgestellt und sie mit allen nötigen Informationen dokumentiert (Anlage K 3). Soweit die Beklagte Ermittlungen am [Datum] bestreitet, wurden solche nicht durchgeführt. Nach der Auswertung in der Anlage K 3 steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass zum Zeitpunkt des Rechtsverstoßes der Internetanschluss der Beklagten zutreffend ermittelt und eine konkrete Zuordnung der technischen Daten zum Anschluss der Beklagten erfolgt ist.

Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt lief der Anschluss auf den Namen der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Vermutung dahingehend, dass die Beklagte, als Inhaber des Anschlusses auch dessen Nutzer ist. In seinem Urteil vom 12.05.2010, GRUR 2010, 633, hat der BGH ausgeführt, dass, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Personen zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.

Diese Vermutung wurde von der Beklagten nicht erschüttert, nach ihren Darlegungen war zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine sonstige Person in ihrer Wohnung oder hat eine Rechtsverletzung begangen.

Die Höhe des Schadensersatzanspruches ist im Wege der Lizenzanalogie zu ermitteln. Danach steht der Klägerin diese in Höhe eines Betrages zu, den sie bei redlichem Erwerb der Nutzungslizenz vom Urheber Rechtsverletzer erhalten hätte. Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des zuständigen Berufungsgerichts, wonach eine Schätzung gemäß § 287 ZPO dahingehend erfolgt, dass der Schaden der Klägerin in Höhe von 600,00 EUR pro Film anzusetzen ist, wurde ein entsprechender Ausspruch getätigt.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Kostenersatz der vorgerichtlichen Abmahnung zu aus § 97a UrhG. Als Gegenstandswert der Abmahnung war ein Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR anzunehmen.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen erfolgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrungen:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung durch das Amtsgericht Leipzig zugelassen worden ist.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen.

Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten Signatur im Sinne des Signaturgesetzes beim

Landgericht Leipzig,
Harkortstraße 9,
04107 Leipzig

eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder in elektronischer Form gegenüber dem Landgericht Leipzig zu begründen. Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Leipzig durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Soweit in diesem Urteil der Streitwert festgesetzt wurde, ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde für jede Partei, die durch diesen Beschluss in ihren Rechten benachteiligt ist, zulässig,

– wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder
– das Amtsgericht Leipzig die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat.

Die Beschwerde ist schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle beim

Amtsgericht Leipzig,
Bernhard-Göring-Straße 64,
04275 Leipzig

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift ist zu unterzeichnen. Die Erklärung über die Beschwerde kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden anderen Amtsgerichts abgegeben werden, wobei die Beschwerdefrist nur dann als gewahrt gilt, wenn die Erklärung rechtzeitig bei dem Amtsgericht Leipzig eingeht. Die Beschwerde kann auch in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes eingereicht werden. Eine bloße E-Mail genügt hierfür nicht. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sie gerichtet ist, sowie die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.

 

Beschwerdefrist:

Die Beschwerde muss binnen sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsache oder deren anderweitiger Erledigung bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, muss sie innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses bei dem Amtsgericht Leipzig eingegangen sein. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

[Name],
Richterin am Amtsgericht

Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift:
Leipzig, 15.09.2017
[Name],
Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

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AG Leipzig, Urteil vom 25.08.2017, Az. 117 C 1073/17

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